Unsere Gehaltstransparenz:
Wenn alle wissen, was alle verdienen
Seit 2017 veröffentlichen wir intern unsere Gehälter. In diesem Artikel erklären wir, warum wir das tun und wie unser Gehaltsmodell funktioniert!
Zusammenfassung (tl;dr)
- Seit 2017 weiß jedes Teammitglied was die anderen verdienen: Wir haben transparente Gehälter und einen Prozess, mit dem diese festgelegt werden.
- In diesem Prozess definieren wir jedes Jahr pro Rolle eine Bandbreite. Auf dieser befindet sich das jeweilige Gehalt abhängig vom Entwicklungsstatus des Teammitglieds. Das Ziel: Teammitglieder, deren Tätigkeiten und Verantwortung vergleichbar sind, sollen auch gleich dafür entlohnt werden.
- So eine Einstufung kann auch mal daneben liegen – daher ist die Transparenz unser Sicherheitsnetz! Wer den Eindruck hat, dass etwas bei der eigenen Einstufung nicht stimmt, soll dies auch offen ansprechen.
- Das Ergebnis: Unser Gehaltsmodell sorgt für nachvollziehbare Einstufungen und gleiches Geld für gleiche Arbeit. Durch die Transparenz gibt es keine falschen Gerüchte in der Kaffeeküche mehr und mögliche falsche Einstufungen werden angesprochen und korrigiert!
Online-Talk über unsere Gehaltstransparenz
Unser CEO Sven Schweiger stand im November 2022 Claudia Hümpel Rede und Antwort zu unserer Gehaltstransparenz!
Warum Gehaltstransparenz?
Wir starteten mit der Gehaltstransparenz und dem dazugehörigen Modell im Jahre 2017. Davor wurden unsere Gehälter in einer Excel-Tabelle nach Rollen geordnet ein wenig „nach Gefühl“ generiert.
Es gab vor diesem Zeitpunkt kein Modell und keinen Prozess aus dem ableitbar gewesen wäre, warum wer wie viel verdient oder wann es die nächste Erhöhung gibt. Das führte zu den klassischen Gehaltsdiskussionen während der Jahresgespräche mit den Teammitgliedern. Auch gab es Gerüchte in der Kaffeeküche darüber, wie viel die anderen verdienen.
Es entstand der Wunsch beim Management nach möglichst nachvollziehbaren Kriterien für die Höhe einzelner Gehälter. Außerdem sollten unfaire Einstufungen durch Transparenz und Vergleichbarkeit erkennbar und im Idealfall auch automatisch vermieden werden.
Unser Gehaltsmodell veränderte sich im Laufe der Zeit
Nach einigen Diskussionen mit rauchenden Köpfen entstand unser erstes Gehaltsmodell, eine Art „Gehaltsformel“. Es wurde 2017 eingeführt und im Laufe der Zeit wurde uns klar, dass es zwei große Probleme mit dem Modell gab.
Problem 1 mit dem alten Gehaltsmodell
Im ersten Modell waren für das Gehalt die Berufsjahre wesentlich, die ein Teammitglied an einschlägiger Berufserfahrung mitbrachte oder bei uns sammelte.
Wir stellten allerdings fest, dass die Anzahl an Jahren nicht viel über das aktuelle Können aussagt. Die Entwicklungswege unserer Teammitglieder sind sehr individuell und vielfältig. Nicht jede*r macht in einer bestimmten Zeitspanne dieselben Erfahrungen oder hat dieselbe Entwicklungsstufe erreicht.
Als besonders komplex hatte sich dabei die Einstufung von Personen herausgestellt, die quer einsteigen oder aus einem anderen Beruf kommen: Wie geht man mit „nicht-facheinschlägiger“ Berufserfahrung um?
Jene Fairness, die wir durch unsere alten "Gehaltsformel" erreichen wollten, stellte sich in manchen Fällen als unfair heraus. Daher kamen wir zu folgender Definition: Fair ist nicht, unsere Teammitglieder vorwiegend danach zu bezahlen, wie lange sie bestimmte Dinge gemacht haben. Sondern danach, was sie jetzt können und wie sie die Arbeitskultur in unserem Unternehmen positiv beeinflussen. Das mit einer „Formel“ abzubilden, war uns allerdings nicht möglich.
Problem 2 mit dem alten Gehaltsmodell
Das bisherige Modell nannten wir "Formel", weil es aus Rechenregeln mit verschiedenen Variablen bestand. Das verführte viele dazu zu denken, dass man ausrechnen kann, wie sich das eigene Gehalt über ein paar Jahre hinweg entwickeln wird.
Es kam öfters zu falschen Annahmen, wie zum Beispiel: "Wenn ich 20 Jahre in diese Variable einsetze, dann bekomme ich ja gar nicht so viel mehr heraus als heute…".
Für einen Blick in die Zukunft war unsere Formel jedoch nicht geeignet, weil Inflation, Marktentwicklung und KV-Anpassungen nur für ein Jahr darin berücksichtigt wurden.
Zeit für ein neues Gehaltsmodell!
Im Jahre 2021 entschieden wir uns schlussendlich für eine große Änderung des Modells um die Probleme zu lösen – und das haben wir auch geschafft!
Das Gehaltsmodell und der dazugehörige Prozess
Unser aktuelles Gehaltsmodell hat einen jährlichen Gehaltsanpassungs-Prozess, in dem die Transparenz eine wichtige Rolle spielt. Gehen wir diesen Schritt für Schritt durch!
1. Verhandlungen über den Kollektivvertrag
Als Softwareunternehmen unterliegen wir in Österreich dem IT-Kollektivvertrag. Dieser wird von den Sozialpartnern Gewerkschaft und Wirtschaftskammer für ein oder zwei Jahre verhandelt. Die darin festgelegten Mindestgrundgehälter nach Tätigkeitsfamilie und Erfahrung sind unser Ausgangspunkt.
2. Überarbeitung unserer Gehaltsbandbreiten
Unsere HR-Verantwortlichen (die bei uns auch Geschäftsführer sind) bearbeiten nach einem Blick in den Kollektivvertrag unsere Gehaltsbandbreiten. Diese werden jedes Jahr für die Rollen in unserem Unternehmen festgelegt. Nach oben hin definieren wir eine eigene Überzahlung, die wir auf Basis von Vergleichen mit dem aktuellen Jobmarkt ableiten.
Die Anpassung unserer Gehälter erfolgt also grundsätzlich einmal im Jahr. Ausnahmen sind individuelle Anlässe wie z.B. ein Rollenwechsel oder dem Abschluss eines Studiums.
3. Überprüfung aller Gehälter
Im nächsten Schritt überlegt sich unser HR-Team, wo die einzelnen Teammitglieder auf den Gehaltsbandbreiten eingestuft werden. Dabei werden auch im IT-Kollektivvertrag festgelegte IST-Erhöhungen und Sonderregelungen berücksichtigt. Mit diesen Überlegungen gehen sie dann in ein Meeting mit dem Management-Team, dem sie angehören.
4. Diskussion im Management-Team
Das Management-Team besteht aktuell aus fünf Köpfen. Jeder aus dieser Runde ist in der Rolle eines Consultants und/oder Product Owners direkt im operativen Geschäft tätig. Damit verfügt unser Management-Team über „direkte Alltags-Arbeitserlebnisse“ mit allen Teammitgliedern.
Zusätzlich holen sie sich Feedback von anderen im Team, im speziellen von den Mentor*innen der Junior-Entwickler*innen. Dabei geht es neben dem fachlichen Können auch um jene Soft Skills, die unerlässlich für erfolgreiche Kundenprojekte und eine positive Arbeits- und Unternehmenskultur sind.
Wichtig ist dem Management-Team, die individuellen Einstufungen innerhalb der Bandbreite sachlich argumentieren zu können. Auf eine Nachfrage wie „Warum verdiene ich derzeit weniger als Y?“ kann eine klare, wohlüberlegte Antwort gegeben werden. Und wenn ein Gehaltsunterschied nicht zu argumentieren ist, sollte es ihn auch nicht geben.
5. Persönliches Gespräch mit Teammitglied
Im Zuge des Jahresgesprächs wird mit jedem Teammitglied persönlich über das Gehalt gesprochen und die Einstufung erklärt.
In diesen offen geführten Gesprächen geht es dann auch darum, wo es mit der individuellen Entwicklung – und damit verbunden auch dem Gehalt – hingehen soll. Dabei sind zum einen alle Beteiligten in diesem Feedbackprozess dafür verantwortlich, dass die geplante Entwicklung erfolgt. Zum anderen müssen sie auch darauf achten, dass sie tatsächlich möglich ist, indem Rahmenbedingungen und Zeit im Arbeitsalltag geschaffen werden.
Übrigens zeigen gleiche Gehälter bei gleichen Aufgaben und Verantwortungen schnell, wenn es Unterschiede bei der Weiterentwicklung zwischen Teammitgliedern gibt. Diese sehen wir uns dann genauer an.
6. Veröffentlichung aller Gehälter im Intranet
Wenn alle Jahresgespräche geführt wurden, wird eine Liste mit allen Gehältern in unserem Intranet veröffentlicht. So hat das gesamte Team die Möglichkeit, das eigene Gehalt zu vergleichen – und falls nötig, nachzufragen, warum man weniger als ein anderes Teammitglied verdient (oder warum man mehr verdient – ja, auch das gab es schon!).
Dieses Nachfragen ist explizit gewünscht, denn die Transparenz ist unser Kontrollmechanismus: Aufgrund der Einstufung durch die Management-Runde besteht trotz gewissenhaften Vorgehens noch immer das Risiko einer subjektiven Beurteilung.
7. Änderungen nach Feedback
Hin und wieder haben Kollegen*innen nach einem Blick auf die Liste im Intranet schon nachgefragt. Und dann wurde beim detaillierten Gespräch und Vergleich klar, dass es keine guten Gründe gab, warum ein Teammitglied weniger als ein vergleichbares verdiente. Die Transparenz als Fairness-Kontrolle hatte funktioniert und das Gehalt wurde angeglichen!
Die Extras zum Gehalt: Goodies und Prämien
Das faire Gehalt allein ist noch nicht alles; es gibt noch Prämien und Goodies.
Über die Prämien entscheiden die Eigentümer am Ende jedes Geschäftsjahres. Die Goodies gibt es über das Jahr hinweg. Manche sind bares Geld wert, wie zum Beispiel eine Jahresnetzkarte der Wiener Linien, eine Zuzahlung zum Klimaticket oder ein Garagenplatz direkt im Haus. Zusätzlich profitiert das Team von einer kollegialen Arbeitskultur, einer flexiblen Zeiteinteilung und einer sehr guten Arbeitsplatzausstattung.
Die Herausforderung: Quereinstieg neuer Teammitglieder
Wir möchten Gehälter fair nach dem Können gestalten: Wer gleich viel kann, soll gleich viel verdienen.
Das kann zu Diskussionen führen, wenn jemand mit Berufserfahrung bei uns einsteigen möchte. Da wir mit dieser Person noch nicht zusammengearbeitet haben, können wir das tatsächliche Können schwer beurteilen. Berufsjahre allein sind kein wesentlicher Faktor in unserem Gehaltsmodell – das wäre unfair gegenüber anderen im Team.
Ein Beispiel: Eine neue Product Ownerin bewirbt sich für unseren ERP-Bereich. Sie hat Erfahrung als Product Ownerin, aber noch nie ein ERP-Projekt betreut. Wie ordnen wir sie im Vergleich zu anderen ein?
In solchen Fällen starten wir mit einem niedrigeren Gehalt innerhalb der Gehaltsbreite – weil ERP-Erfahrung noch fehlt. Sollte sich aber herausstellen, dass sich unsere neue Product Ownerin schneller einarbeitet als gedacht, heben wir das Gehalt gerne schon vor der nächsten Gehaltsrunde an! Ganz nach dem Motto „Gleiches Können = gleiches Gehalt!“
Die Vorteile und unser Fazit
Unser Gehaltsmodell mit dem laufenden Anpassungsprozess und der Transparenz hat einige Vorteile gegenüber Gehältern, die hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden!
1. Vorteil: Verhandlungsgeschick spielt keine Rolle mehr
In der Softwareentwicklung sind viele kreative Menschen tätig, von denen sich etliche unwohl führen, wenn sie über ihr Gehalt reden oder gar verhandeln müssen. Es besteht die Gefahr einer unfairen Bezahlung innerhalb des Unternehmens, wenn das individuelle Verhandlungsgeschick das Gehalt bestimmt.
2. Vorteil: Keine Gerüchte
Es gibt keine falschen Gerüchte über Gehälter mehr, die das Klima vergiften können! Jetzt sieht man schwarz auf weiß, wer was verdient.
3. Vorteil: Gehälter können argumentiert werden
Es macht das Leben der Geschäftsführung leichter, dass die Festlegung der individuellen Gehälter nachvollziehbar und konkret argumentiert werden kann. Unsere Jahresgespräche sind produktiver, weil Gespräche über das Gehalt nicht mehr unangenehm sind, sondern auf Basis sachlicher Faktoren geführt werden. Und es führt bei den Team-Mitgliedern zum Gefühl, fair behandelt zu werden.
4. Vorteil: Korrekturen durch Transparenz
Da die Gehälter offen liegen, werden auch Unklarheiten in der Einstufung sichtbar. Diese können dann genauso schnell und sachlich aufgeklärt und etwaige Fehleinstufungen korrigiert werden.
5. Vorteil: Gleiche Arbeit = gleiches Geld
Gleiches Geld für gleiche Arbeit und gleiches Können ist mit dem Modell garantiert! Dafür sorgen die Transparenz und die individuelle Betrachtung der Gehaltsverteilung im Unternehmen durch unseren Gehaltsprozess.
Unser Fazit
Seit 2017 sind unsere Gehälter nun schon transparent – und wir können uns eine CSS ohne diese Transparenz gar nicht mehr vorstellen!
Das dazugehörige Gehaltsmodell steht auch weiterhin regelmäßig auf dem internen Prüfstand. Eine Weiterentwicklung ist wichtig, um kritische Punkte zu verbessern. Außerdem müssen wir auch die Trends am Jobmarkt und die Gehaltspolitik anderer Unternehmen und Mitbewerber im Auge behalten.
Aber das ist Arbeit, die wir uns gerne machen. Schließlich sind unsere Team-Mitglieder das Wertvollste an unserem Unternehmen!